Warum die gefühlte Ladezeit wichtiger als die echte ist

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Pagespeed bedeutet gar nichts

Seit Google die Performance einer Website zum offiziellen Ranking-Faktor erklärt hat, ist auch bei Wordpress ein regelrechter Hype um den Pagespeed, die besten Ladezeiten und die perfekte Optimierung entstanden. Das Problem dabei: Die meisten denken ein hoher Pagespeed sei das ultimative Ziel. Ist er nicht. War er von Anfang an nicht. Nie. Zum Beispiel, weil Google dort auch Tipps und Tricks vorschlägt, die im Einzelfall gar nichts bringen bzw. sogar kontraproduktiv für euren Blog sind. Das verstehen die meisten aber nicht einmal im Ansatz, denn sie fordern bei einer professionellen Optimierung vor allem eines: Einen möglichst hohen Pagespeed.

Gute Optimierer lehnen solche Aufträge daher pauschal ab und erklären, dass der Pagespeed nicht alles ist und Performance-Optimierung auch nicht nur mit technischen Details zu tun hat. Doch darum soll es jetzt eigentlich gar nicht gehen, ich musste das Thema nur kurz anschneiden, weil mir die ständige (falsche) Optimierung, nur mit dem Ziel eines hohen Pagespeed zu haben, wirklich ein Dorn im Auge ist. Wer sich darauf beschränkt hat nichts, aber auch gar nichts verstanden. Heute geht es daher vielmehr um das Thema gefühlte Ladezeit, denn die wird bei all der SEO-Optimierung und Illusion von Performance oft vergessen.

Ladezeit ist reine Psychologie

Die gefühlte Ladezeit ist das, was in Changelogs von Software häufig zu finden ist. Die gefühlte Ladezeit hat auch nichts mit der tatsächlichen Ladezeit zu tun. Es gibt viele Fälle, da ist die gefühlte Ladezeit deutlich geringer als die tatsächliche Ladezeit. Klar denkt ihr euch jetzt, denn jeder kennt das von irgendwo. Da wartet man an der Bushaltestelle und der Bus kommt einfach nicht. Man wartet auf die Post, oder auf einen Anruf und es dauert einfach ewig, rein gar nichts geschieht. Weder Bus noch Postbote erscheinen. Manchmal wartet man auch gar nicht und plötzlich klingelt der Paketlieferant schon, es kommt einem vor wie Sekunden.

Die gefühlte Ladezeit hat mit Psychologie zu tun, nicht mit der Realität. Wer an der Bushaltestelle eine Zigarette raucht, merkt nicht wie schnell die Zeit vergeht und freut sich, dass der Bus schon da ist, obwohl er vielleicht sogar zu spät kam. Und wer nicht am Fenster auf den Postboten wartet, der spürt die Wartezeit auch gar nicht so extrem. Die gefühlte Ladezeit ist also reine Psychologie, doch sie lässt sich trotzdem verbessern. Mit Tricks die nicht immer ganz offensichtlich, vor allem aber stets unterschiedlich sind. Die gefühlte Ladezeit ist ein tückisches Wesen, weil sie sich per se eben nicht messen lässt. Ihr könnt sie fühlen und andere können sie fühlen, was aber nicht heißt, dass jeder gleich fühlt. Trotzdem gibt es bestimmte Dinge, die immer oder fast immer und vor allem bei fast jedem wirken, Mechanismen auf die die breite Masse einfach anspringt.

Beispiel mit den CSS-Transitions

Ein schönes Beispiel sind da die CSS-Transitions. Als die CSS-Transitions damals eingeführt wurden, haben viele ihre gefühlte Ladezeit damit ruiniert. Das tolle an ihr ist nämlich: Selbst wenn eine Seite 5 Sekunden lädt, wer geschickt optimiert, manipuliert seine Besucher so, dass es ihnen nicht wie 5 Sekunden vorkommt, sondern eine gefühlte Ladezeit von 2 oder 3 Sekunden entsteht. Ihr seht schon, die gefühlte Ladezeit ist enorm wichtig, um zufriedene Besucher zu haben.

Doch zurück zu den Transitions. Als die weichen Übergänge und Animationen mit CSS 3 das Licht der Welt erblickten, ruinierten viele Webmaster ihren Blog mit selbigen, aus purer Freude und Euphorie, endlich weiche Übergänge erzeugen zu können. Lange Übergänge, butterweiche Farbwechsel auf Buttons und vieles mehr waren das Resultat. Sieht alles toll aus, streckt die Zeit aber nur unnötig. Seiten wurden gefühlt gähnend langsam, selbst wenn das in Wahrheit gar nicht der Fall war. Und bevor ein Button nicht die komplette Animation oder die komplette Transition abgespielt hatte, wurde er meist auch gar nicht geklickt.

Ist ja noch nicht fertig, zumindest aus Sicht des Benutzers, obwohl der Button natürlich schon von Beginn an klickbar gewesen wäre. Die gefühlte Ladezeit litt also enorm, weil all die Übergänge und Animationen jedes Objekt unendlich lang streckten. So lässt sich die gefühlte Ladezeit blitzschnell ruinieren und wer dann nicht mit perfekter Technik punkten kann, vergrault viele seiner Besucher sofort wieder.

Apps brachten Ladebildschirme

Ein anderes Psychologisches Beispiel kam im Zuge der Apps. Auf dem Smartphone haben Apps oft sogenannte Preloader. Also ein Script, was erst die Seite bzw. das Programm lädt und sie erst anzeigt, wenn der gesamte Inhalt auch komplett geladen wurde. Das hat den Nachteil, dass Nutzer einen Ladebildschirm sehen. Der Vorteil ist allerdings, dass Nutzer keine nachladenen Objekte, Bilder oder Videos mehr sehen müssen, sondern das fertige, komplett geladene Ergebnis sehen. Bei einer normalen Website wird das “Bild” quasi live gemalt, bei einer Website mit Preloader erscheint das “Bild” aber erst, wenn der letzte Pinselstrich vollführt wurde.

Das lässt sich tatsächlich nicht nur auf Apps, sondern eben auch auf Websites anwenden. Mit einem Preloader kann erst eine hübsche oder gar witzige Ladeanimation angezeigt werden, die dann zur Website weiterleitet, aber eben erst sobald diese komplett geladen wurde. Psychologisch lässt sich das Hirn so oft austricksen. Viele Besucher finden einen Ladebildschirm nicht schlimm (wenn er nicht zu lange dauert), sie sind ihn durch Apps inzwischen wieder regelrecht gewöhnt, wissen woran sie sind. Sie sehen: Okay, diese Website wird geladen, gleich sehe ich sie und muss dann nichts nachladen. Ohne den Preloader streckt sich die gefühlte Ladezeit aber enorm, weil erst die Seite, dann die Social Buttons, dann die Banner, dann der Slider, dann die Bilder usw. nacheinander geladen werden müssen und das fällt mir als Besucher unangenehm auf.

Es sorgt nämlich für Lücken und die Website füllt sich erst nach und nach, sieht erst nach einigen Sekunden richtig fertig aus. Ein unschöner Effekt, der mit einem Preloader einfach umgangen wird. Das geniale daran: Auch wenn Besucher erst einmal warten müssen, sinkt die gefühlte Ladezeit bei den meisten extrem. Die schicke Ladeanimation empfinden die meisten einfach als normal, als okay, als modern und flüssig. Die zerstückelte Seite, die sich erst nach und nach zusammensetzt, die wirkt einfach unschön und wird anders wahrgenommen, nämlich als langsam ladende Seite. Prinzip Verstanden? Der Preloader wirkt wie die Zigarette an der Bushaltestelle. Er überbrückt geschickt das Laden, sodass der Nutzer die Zeit anders wahrnimmt und abgelenkt wird. Das Funktioniert!

Gefühlte Ladezeit wichtiger als echte

Es gibt viele kleine Tricks, um die gefühlte Ladezeit einer Website zu manipulieren. Wie gesagt: Transitions möglichst kurz halten, Preloader einsetzten, den Code so aufbauen, dass Inhalte nicht mehr auffällig nacheinander geladen werden bzw. der Eindruck entsteht, schon beim ersten Blick wäre alles perfekt geladen, obwohl im Hintergrund fleißig nachgeladen wird, sowie vieles mehr. Der Trick ist, dass der Besucher von all der Arbeit nichts mitbekommt und wenn, dann schick als Preloader verpackt.

So machen es die Apps, so macht es Facebook mit den Ladeanimationen der Posts und so machen es auch alle anderen. Warum? Weil es psychologisch funktioniert.Die gefühlte Ladezeit ist für den Besucher einfach viel wichtiger als die tatsächliche Ladezeit eines Angebots. Genau wie das alte Thema, dass ein Buch nach seinem Cover bewertet wird. Ist so, war immer so, wird wohl auch immer so bleiben. Wenn ein Preloader mir einen witzigen oder schicken Ladebildschirm präsentiert, nehme ich diesen als weniger störend wahr, als eine Website bei der die Hälfte erst einmal geladen werden muss.

Und wenn Transitions und Übergänge auf einer Website Ewigkeiten dauern, dann habe ich immer das Gefühl, alles ist verzögert und lädt nicht korrekt. Das ist in Wahrheit Quatsch, mein Kopf sagt mir aber trotzdem, dass das alles viel zu langsam und träge ist. Deshalb ist bei all der Optimierung auch immer wichtig auf solche Details zu achten. Bilder und Videos vielleicht effektiv nachzuladen, statt sie nur immer weiter zu schrumpfen. Die Scripte geschickt dorthin schieben, wo sie nicht auffallen und vor allem auch keine anderen Vorgänge blockieren oder beeinflussen. Vor allem sollte eine Website aber jederzeit und auf den ersten Blick so aussehen als sei sie fertig geladen, ganz egal ob das die Realität ist oder nicht.

Nur Preloader sind erlaubt, weil sie die Wartezeit, ähnlich wie die Zigarette an der Bushaltestelle, geschickt verschwinden lassen. Also nicht immer nur die Technik aufmotzen und tunen, sondern auch mal an den psychologischen Schrauben drehen und die gefühlte Ladezeit optimieren. Die ist oft nämlich viel wichtiger.

Christian Pust
WordPress & Onlinemarketing Experte mit über 15 Jahren Erfahrung. Entwickler & CEO von Trackboxx – der Google Analytics Alternative.

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